Wir waren bereit und voller Vorfreude. Ein paar Lebensmittel hatten wir auf dem Markt in Gizo noch besorgt und nun sollte es wirklich losgehen!
Die Wassertanks waren noch zur Genüge gefüllt und genug Diesel hatten wir uns auch noch besorgt. Die Segel zum Setzen vorbereitet, den Motor angeschmissen, den Anker gelichtet und hinaus aus der Bucht von Gizo, hinein ins tiefere Fahrwasser! Die nächsten Tage würden wir erstmal unter Motor fahren da wir uns (leider) gegen den Wind ankämpfen mussten. Aber egal, nach ca. ner Woche vor Anker in Gizo wollten wir einfach nur noch los und die Inselwelt der Solomon Islands mit dem Schiff erkunden – welch ein Abenteuer!!
Und kaum waren wir in sicheren Gewässern, sprich keine Riffe und Untiefen in der Nähe, mussten wir auch schon das erste Mal das Steuer übernehmen. Ein Segelschiff zu steuern unterscheidet sich gewaltig von einem Auto. Das Schiff reagiert nämlich immer ein bisschen später auf Steuerbewegungen und da man den Kurs halten muss, ist der Kompass unabdingbar! Aber nach einer Weile hatte man den Dreh raus und so steuerten wir unseren nächtlichen Ankerplatz, die Bucht von Ringgi, an! Nur leider sind wir relativ spät aus Gizo gestartet und es wurde mit der Zeit immer dunkler und dunkler. Nachts die richtige Bucht und Ankerstelle zu finden, ist immer ein wenig schwieriger als tagsüber – logisch – aber da die angezeigte Position auf unserem Rechner nicht mit der tatsächlichen Position übereinstimmte (wir hatten eine Abweichung von ca. zwei Kilometern), bekamen wir ein kleines Problem!
Gerd stand hinterm Steuer und ich mit meiner Taucherlampe am Bug des Schiffes um das Wasser vor uns nach Riffen abzuleuchten. Und auf einmal war es da, das Riff!!! „ZURÜCK, ZURÜCK“ brüllte ich nur noch aber da war es schon passiert! Mit ca. drei Knoten schob sich unsere Liberty auf das Riff! Gerd versuchte noch den Rückwärtsgang einzulegen, was auch ein wenig was brachte, aber dann war Stillstand angesagt!! „FUCK, FUCK, FUCK“, hörte man den Kapitän nur brüllen aber an unserer Situation änderte das auch nichts mehr! Da hockten wir nun, am ersten Abend unseres Segelabenteuers, auf einem Riff – das fängt ja gut an…
Leicht geschockt und ratlos über unsere Situation liefen wir über das Schiff, um zu checken ob wir größere Schäden davongetragen hatten, aber außer dass wir nicht mehr schwammen war soweit alles ok, kein Leck oder sonstige Schäden, die unsere Weiterreise mit der Liberty definitiv beendet hätten!
Kurze Zeit später waren auch die ersten Einheimischen am Schiff, um ihre Hilfe anzubieten aber Gerd lehnte dies rigoros ab, da er vermutete, dass diese netten Leute am Ende Geld verlangen würden und außerdem hat Gerd noch nie Hilfe bei Problemen benötigt…. Wir erkundigten uns lediglich über die derzeitige Tide und als uns gesagt wurde das gerade die Flut kommt waren wir doch sehr erleichtert! Das bedeutete für uns nun Dingi ins Wasser lassen und den großen Ersatzanker fertig machen! Der Plan war, das Ankerseil am Heck der Liberty zu befestigen und den Anker selbst so weit wie möglich vom Schiff ins Wasser zu schmeißen! Zurück aufs Schiff, das Seil so gut es geht spannen und dann hieß es abwarten. Nach all der Aufregung haben wir dann erstmal was gegessen während die Liberty immer wieder gegen die Korallen gedrückt wurde und in regelmäßigen Abständen ein Ruck durch das Schiff ging! Nach ein paar Stunden, gegen Mitternacht, bemerkten wir dass das Knallen gegen die Korallen aufgehört hatte und als wir das Ankerseil auf Spannung kontrollierten, hing es nur noch locker rum. Der Anker und genügend Wasser unterm Kiel (wir haben übrigens drei Kiele) hatten uns wieder vom Riff runter gezogen und wir schwammen wieder frei! Jetzt hieß es nur noch Ankerseil neu spannen und ab in die Koje…
Am nächsten Morgen sahen wir dann direkt neben uns das Riff, ein eigentlich schöner Anblick, und wir waren froh, dass wir so glimpflich davon gekommen sind! Und dann hieß es auch schon wieder „Anker lichten“! Weiter geht’s, Richtung Noro und durch den Diamond Narrow. WOW!! Die Diamond Narrow ist quasi ein Kanal, der in einer Lagune mündet. Türkises Wasser und viele kleine Inseln breiten sich vor einem aus, welch ein Anblick!! Überall ist der Grund zu sehen, was nach unserer gestrigen Rifferfahrung ab und an ein leichtes Kribbeln verursacht, aber unsere Seekarte und Echolot sagen uns das es überall tief genug ist für unsere Liberty! Kaum haben wir die Lagune verlassen begleiten uns ein paar Delfine ein Stück des Weges, wie cool, und das am Tag von Rebeccas (Julias Schwester) Geburtstag!
Kurz danach gab es dann das nächste Problem!! Motorausfall… Super!! Wir mussten dann schnell das Vorsegel hissen und die Selbststeuerungsanlage einstellen, um nicht auf ein nahes Riff getrieben zu werden während wir das Motorproblem lösten. Es war auch „nur“ eine verstopfte Dieselleitung, die ausgeblasen und gereinigt werden musste. Dieses Problem hatten wir dann auch relativ schnell gelöst und schon ging es weiter zur Insel Rendova und dem Örtchen Ughele unserem Tagesziel! Dort sind wir dann auch vorm Dunkelwerden angekommen!
Und welch ein Empfang!! Innerhalb kürzester Zeit trieben einige Einbäume um unser Schiff herum mit Menschen, schwarz wie die Nacht! Und alle mit gutem Englisch ausgestattet sodass man sich richtig gut unterhalten konnte! Nichtsdestotrotz waren wir ziemlich müde und nach einem leckeren Abendessen an Bord (gekocht auf offenem Feuer aber dazu später mehr) waren wir dann auch froh über unser gemütliches Bett!
Am nächsten Tag, kurz nach dem Frühstück, wurden wir auch schon wieder belagert! Eine ganze Horde von Kindern machte sich einen Spaß daraus, unsere Liberty zu entern und diese als Sprungturm ins kühlende Nass zu nutzen! Julia und ich brauchten einige Zeit um unsere Angst vor dem Wasser abzulegen, schließlich gibt es hier in den Solomonen auch Salzwasserkrokodile! Und eines davon konnten wir direkt gegenüber von unserem Schiff an Land begutachten! Dieses Krokodil wurde aber schon vor zwanzig Jahren gefangen und tristet sein Dasein seitdem in einem kleinen Verschlag ohne Zugang zum Wasser! Und dieser Verschlag war so klein dass das Krokodil irgendwann aufgehört hat zu wachsen. Normalerweise sind Krokodile dieses Alters schon ausgewachsen mit einer Länge von bis zu dreieinhalb Metern – dieses war aber vielleicht gerademal zwei Meter lang!
Nach dem Besuch beim Krokodil sind wir wieder zurück zur Liberty und das fröhliche Planschen ging sofort weiter! Ab und an brachten uns die Kinder auch ein paar Früchten als Willkommensgeschenk! Avocados, Bananen, Orangen und Kokosnüsse, die dann erstmal gemeinschaftlich gepellt werden mussten! Und pell’ mal ne Kokosnuss, das ist ganz schön harte Arbeit wenn man keine geeigneten Werkzeuge zur Hand hat!
Zu Spitzenzeiten hatten wir locker 25 Kinder an Bord und eines hübscher als das andere! Und was hatten wir Spaß!! Rein ins Wasser, rauf aufs Schiff und wieder rein ins Wasser! So ging das eine ganze Weile und wir waren einfach mega geflasht!! Soviel Spaß hatten wir schon lange nicht mehr!!!
Aber wir wollten ja auch noch einen Landgang machen und uns das, für Solomonesische Verhältnisse, große Dorf mal aus der Nähe angucken. Also ab ins Dingi und rüber an Land! Und diese Leute hier – einfach supernett und freundlich! Die sind hier einfach glücklich! Haben alle ein Haus mit Garten in dem sie diverse Früchte und Gemüse anbauen, eine große Familie, wo sich jeder um jeden kümmert, frisches Wasser aus den Flüssen und zum Fischen brauchen sie nur kurz mit ihren Kanus hinaus aufs Meer fahren! Was will man mehr?!?
Das Dorf an sich ist wirklich ein idyllisches Plätzchen. Viele Blumen und Schatten spendende Bäume, zwei Flüsse die aus den Bergen im Hinterland kommen und einfach verdammt freundliche Leute! Wir konnten beobachten wie sie ihre Kanus aus ganzen Baumstämmen hacken, Palmenblätter zu Teilen eines Daches weiterverarbeiten und wie sie ihre Gärten bewirtschaften. Am Ende haben wir uns noch die Arbeit eines Schnitzers angeschaut und sind nicht drumrum gekommen, ihm eine wirklich gelungene Kriegermaske abzukaufen.
Leider sind wir aus Ughele schon am nächsten Tag wieder abgedampft. Schade, denn hier war es wirklich speziell! Aber wir mussten pünktlich in Honiara sein, um dort unser nächstes Crewmitglied einzusammeln und das hieß wiederrum 350km am Stück zurückzulegen! Uns stand nun ein Trip von zwei Tagen und zwei Nächsten bevor und so richtig prickelnd fanden wir das eigentlich nicht! Wir haben es eigentlich lieber über Nacht irgendwo zu Ankern aber so war es nunmal. Man hätte ja auch früher aus Gizo starten können aber der Kapitän brauchte Internet…
Anyway – gegen Mittag sind wir also los hinaus aufs offene Meer. Soweit so gut. Ich hab die Liberty auf Kurs gehalten und Julia hat sich erstmal aufs Ohr gehauen, vorschlafen für die Nachtschicht aber soweit sollte es dann doch nicht kommen! Je später der Abend desto schlechter ging es Julia und als sie dann mal kurz das Steuer übernommen hat um zu testen wie es ihr dabei geht war es um sie geschehen! Im Dunkeln sieht man halt wirklich nur den beleuchteten Kompass hin und her schaukeln und das war einfach zu viel für sie! Fische füttern war angesagt!! Zu Julias Entschuldigung muss man aber auch sagen dass das Meer ziemlich unruhig war und dazu noch stockfinster! Man hat absolut nix gesehen außer ein paar Sterne! Keine Insel, keinen Horizont, nix!! Und das kann ziemlich beängstigend sein!! Auch ich fühlte mich nicht sonderlich wohl, aber achtmal Fische füttern musste ich zum Glück nicht! Ständig ging mir das Lied „Living on the edge“ von Aerosmith durch den Kopf was mir ein bisschen über meine Angst hinweg geholfen hat! Und als dann auch noch (mal wieder) der Motor ausfiel war das feeling perfekt! In so einer Situation macht man sich schon so seine Gedanken… Gerd hat dann das Motorproblem wieder recht zügig repariert aber das Gefühl blieb – was machen wir hier eigentlich und wollen wir so wirklich bis nach Vanuatu und Neukaledonien??? N bissl verrückt und bescheuert muss man ja sein, aber ist es das wert?
Als dann die Sonne langsam aufging waren wir schon wesentlich beruhigter und Julia ging es auch langsam wieder besser! Wir hatten sogar ein wenig Wind und konnten die Segel setzen und zusammen mit der Selbststeuerungsanlage ist das dann eine ziemlich entspannte Angelegenheit.
Zum Abend hin hat dann Julia auch das Steuer übernommen und sogar bis Mitternacht ohne weitere Zwischenfälle durchgehalten. Dann war Gerd an der Reihe und um vier Uhr morgens dann ich! Diese Schicht find ich eigentlich ganz angenehm, weil dann irgendwann die Sonne aufgeht und man wieder den Horizont und Land sehen kann – das beruhigt ungemein! Und der Rest war jetzt auch easy bis nach Honiara. Geparkt haben wir die Liberty dann auch direkt in der Einflugschneise vorm Yachtklub, was sich noch rächen sollte! Ich hatte Gerd darauf hingewiesen, dass wir doch recht mittig und auch ziemlich weit weg von Land ankerten, also mitten im Weg was für die anderen Schiffe bestimmt nicht so geil ist. Und wenn wir näher zum Land geankert hätten, hätten wir auch mehr Sprit für das Dingi sparen können. Aber gut, das Wort des Kapitäns ist Gesetz…
In Honiara kam am nächsten Tag ein weiteres Crewmitglied an Bord, die Lene aus Belgien, die gerade 2 Monate Japan hinter sich hatte. Die nächsten Tage haben wir dann meist auf dem Schiff verbracht, sind zum Markt gefahren und haben auch im Museum ein traditionelles Musik- und Tanzfestival miterleben dürfen. Auf Bambusrohren verschiedener Länge wird mit zurecht geschnittenen alten Flip Flops drauf geschlagen, sodass es einen tollen Beat ergibt. Dazu Panflöten – natürlich auch aus Bambus – und Rasseln aus Nussschalen. Das alles zusammen ergibt eine unglaublich tolle Musik mit flottem Rhythmus und es macht einfach nur Spaß zuzuhören und zuzusehen wie dazu in traditioneller Kleidung Tänze aufgeführt werden!
Das Parken unseres Schiffes in der direkten Einflugschneise sollte sich dann auch noch mal rächen. Julia und ich saßen gerade allein unter Deck, als wir plötzlich Schreie hörten und Sekunden darauf wurden wir gerammt von einem kleinen sogennnten Bananaboat.Wir rannten an Deck und sahen wie ein Mann im Wasser schwamm, die anderen 3 saßen geschockt im Boot. Da unser Boot aus Zement gebaut wurde, hatten wir nicht mehr als einen leichten roten Kratzer und einen minimalen Schock.
In 2 Tagen sollte es dann auch endlich weiter gehen und es sollte weiterhin spannend bleiben, was uns noch alles passiert…
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2 Kommentare auf "Los geht’s – Mit der Antiyacht unterwegs"
Hey ihr zwei! Total abgefahren! Die Kinder auf dem Schiff! Wahnsinn! Pure Lebensfreude! Tolller Bericht! Und wirklich jetzt schon viel passiert! Was kommt da noch??? Ich wünsche euch noch alles Gute weiter für eure Reise!!! Ich liebe euch!!!
Natürlich begleiten wir Euch weiter und erwarten sehnsüchtig den nächsten Bericht !