Nach Pulau Weh beschlossen wir auf dem Weg nach Bukit Lawang (Leuser Nationalpark) einen Zwischenstopp in Langsa zu machen. Langsa liegt an der Nord-Ost Küste von Sumatra und dort befindet sich ein Flüchtlingslager der Rohingya.
Die Rohingya sind eine muslimische Volksgruppe im buddhistischen Myanmar (Birma). Dort leben etwa eine Million Rohingya und seit dem Staatsbürgerschaftsgesetz von 1982 gelten die Rohingya nicht als eine der 135 einheimischen Bevölkerungsgruppen und haben damit keinen Anspruch auf die myanmarische Staatsbürgerschaft. Sie sind demnach staatenlos. Aufgrund von Repressionen und Verfolgungen leben mindestens eine Million Rohingya als Flüchtlinge in Bangladesch und weiteren Ländern Asiens. Wer ab und zu die Nachrichten geschaut hat, der weiß, dass es die Menschen sind, die seit Monaten zu tausenden auf nicht grade seetüchtigen Booten in den Gewässern zwischen Myanmar, Thailand, Malaysia und Indonesien treiben. Und niemand will sie retten… Thailand, Malaysia und Indonesien haben vor einigen Jahren schon Rohingya Flüchtlinge aufgenommen, jetzt wollen sie nicht mehr. Kommen sie zu dicht an eine der Ländergrenzen, wird ihnen (vielleicht) Essen und Trinken gebracht und dann werden sie von Schleppern wieder aufs offene Meer zurückgezogen, wo sie dann einfach wieder weiter treiben. (wie auch die Flüchtlinge, die im Mittelmeer treiben)
Wir könnten hier einen unendlichen Text schreiben über die Geschichte und die Geschehnisse der Rohingya. Es ist traurig und einfach sinnlos!! Überall gibt es Extremisten, so sogar unter den eigentlich als friedlichste Religion angesehenen Buddhisten!! Seit Jahren versuchen diese die Rohingya aus Myanmar zu vertreiben und das nicht grade zimperlich! Sie gehen oftmals sehr brutal vor und es gibt immer wieder blutige Auseinandersetzungen, bei denen viele der muslimischen Minderheit ums Leben kommen.
Seit Jahren flüchten sie und viele fristen ihr Leben in Flüchtlingslagern. Die Regierung Myanmars zählt sie nicht zu einer der anerkannten ethnischen Minderheiten. Bangladesch wiederum verweist darauf, dass die Rohingya seit Generationen in Myanmar leben und sieht sich nicht in der Pflicht zu handeln. Beide Länder schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Der myanmarische Generalkonsul äußerte sich, dass er die Rohingya mit ihrer dunkleren Hautfarbe die Zugehörigkeit zu Myanmar abspricht. Er bezeichnete sie als „hässlich wie Kobolde“ im Gegensatz zu den hellerhäutigen Birmanen.
Nachdem es ab Juni 2012 zu ethnischen Unruhen gekommen war, äußerte der myanmarische Präsident Thein Sein gegenüber dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen den Vorschlag, dass die Rohingya sich entweder in UNHCR-Camps (United Nations High Commissioner for Refugees) begeben oder das Land verlassen sollten. Er sagte auch, dass die Rohingya „illegale Einwanderer“ seien und man bereit sei, sie in jedes Land zu deportieren, dass sie aufnehmen würde.
Die in Malaysia lebenden Rohingyas dürfen nicht wählen, haben nur eingeschränkten Zugang zu Gesundheits- und Bildungssystemen und ihre Reisefreiheit ist auch eingeschränkt. Den indonesischen Fischern wurde sogar strikt untersagt, den auf dem Meer treibenden Menschen zu helfen – es sei denn, sie seien kurz vor dem Ertrinken. Und werden sie dann von Thailand, Malaysia oder Indonesien angeblich „gerettet“, werden sie meist versklavt. Sie schuften ohne Bezahlung als moderne Sklaven auf den Kuttern indonesischer Fischer. Sie hocken als Geiseln in Dschungelcamps in Thailand, werden gefoltert oder auch getötet, wenn ihre Familien nicht schnell genug Lösegeld überweisen. Denjenigen, die es bis nach Malaysia schaffen, geht es etwas besser: Dort werden die aus Myanmar geflohenen Rohingya zwar auch als Billiglöhner ausgebeutet – sie schweben aber nicht permanent in Lebensgefahr. Massengräber von Flüchtlingen, deren Familien wohl nicht rechtzeitig zahlen konnten, wurden zu Hauf im Süden Thailands und Malaysia gefunden. Es ist unfassbar erschreckend, was im 21. Jahrhundert unter den Menschen noch vor sich geht. Dass das Thema Religion die Menschheit zu solchen Taten bringt, ist doch einfach nur erschreckend und dumm!!!
Wie gesagt, ein Roman wäre hier möglich. Da uns das Thema nicht kalt lässt und sehr bewegt, haben wir beschlossen in Langsa einen Stopp einzulegen. Denn dort sind vor ein paar Wochen Flüchtlinge aufgenommen worden und in einem Flüchtlingslager untergebracht. Essen und Sachen zum Anziehen haben sie, haben wir erfahren, also wollten wir was für die rund 200 Kinder dort spenden. Und so haben wir nach Pulau Weh nochmal einen Stopp in Banda Aceh gemacht. Dort sind wir zur Post und haben unser Gepäck wieder mal erleichtert und ein Paket mit Sachen nach Hause geschickt.
Wir haben uns auch nochmal mit Kamal getroffen, dem Indonesier, der in Hannover studiert hat. In einem Geschäft für Schreibwaren haben wir dann zig Buntstifte, Malbücher, Papier und Murmeln gekauft. Bei ca. 200 Kindern war das Paket dementsprechend groß und schwer. Am nächsten Morgen ging es dann mit dem Bus Richtung Langsa. Die Strecke betrug 430 Kilometer und wir saßen ganze 12 Stunden im Bus!!!! (Ein Flug von Frankfurt nach Bangkok dauert nicht ganz 11 Stunden…!!!) Von Eka von Pulau Weh haben wir die Telefonnummer ihrer Schwester Nita bekommen. Sie wohnt in Langsa und arbeitet im Krankenhaus und behandelt dort auch die Rohingya. Sie hat uns ein Hotelzimmer für zwei Nächte besorgt, denn dort spricht kaum einer englisch, weil ausländische Touris gibt es dort keine.
Am nächsten Tag haben wir uns dann nachmittags mit Nita und ihrer Freundin Wifaa getroffen und sind zusammen zum Flüchtlingslager gefahren, welches ziemlich weit außerhalb der Stadt liegt. Am Eingang wollten sie uns erst nicht rein lassen, weil wir von keiner Hilfsorganisation kommen. Aber dank Nita hat es dann trotzdem geklappt. Ich musste meinen Reisepass als Pfand hinterlassen.
Jetzt folgt der schwierigste Teil des Berichts – wie soll man das Flüchtlingslager beschreiben und das, was man gesehen hat…
Man kennt Bilder aus dem Fernsehen und da hat man schon sehr schlimme Bilder gesehen! Es ist nicht einfach zu sehen, wie sie dort leben oder besser gesagt hausen. Wir wurden durch das Camp geführt und es beschlich uns wieder dieses fremdliche Gefühl, ähnlich wie in Malaysia bei den Orang Asli. Man läuft dort durch, zwischen den Gebäuden, sieht die Menschen beim Waschen, beim Essen, beim Beten… Als wenn wir durch einen Zoo laufen, nur sind das Menschen, wie Du und ich!!
Wir haben einen Blick in die Gebäude geworfen, in denen sie schlafen…Männer getrennt von Frauen und Kindern… Das Herz schlug unregelmäßig, die Tränen standen schon in den Augen. Auch wenn es den Flüchtlingen hier vergleichsweise „gut“ geht, ist es hart zu sehen!! Anders als im Fernsehen!!! Hautnah!!! Ich wollte nicht mehr Zoobesucher sein!! Klar wollen wir den Menschen helfen, aber berechtigt uns das auch quer durch ihren „Alltag“ zu spazieren? Andererseits können wir so einen Eindruck davon bekommen, wie der Zustand dort ist und auch diesen Eindruck nach Außen weiter tragen. Es ist ein Gefühl der Zwickmühle…
Wir hielten uns dann an einem Zelt auf, das für die Kinder war, wo auch ein paar Spielgeräte aufgebaut waren. Nachdem dann auch hier wieder zig Frauen und Mädchen ein Foto mit uns haben wollten, haben wir dann mit ein paar freiwilligen Helfern unser Paket quasi an die Kinder überreicht und sie haben gleich alle drauf los gemalt. Es war schön zu sehen, dass die Kinder dort lachen können!! Zur selben Zeit war auch noch eine kleine Hilfsorganisation vor Ort. Drei Männer aus Deutschland und Österreich. Sie haben uns erzählt, dass sie immer wieder seit Jahren freiwillig zu solchen Camps unterwegs sind und Spenden sammeln, meist für Kinder.
Als der Trouble um uns zu groß wurde, weil auf einmal hunderte ein Foto mit uns machen wollten, haben wir beschlossen, dass es Zeit ist zu fahren. Denn wir waren ja nicht als Models hier!! Mit gemischten und guten Gefühlen holten wir am Ausgang meinen Reisepass wieder ab, sind zu viert noch was Essen gefahren und haben uns noch viel über die Situation hier unterhalten und zur wieder Aufmunterung über Gott und die Welt. Nita hat uns dann noch Bustickets nach Bukit Lawang im Leuser Nationalpark für den nächsten Morgen besorgt und dann war der Tag auch schon vorbei.
Wenn in den nächsten Tagen das Thema aufkam, dass wir bei den Rohingyas waren – von uns aus, ohne Organisation, waren die Leute oftmals erstaunt darüber, dass „Touristen“ einfach helfen wollen! Das sagt uns zusätzlich – wir haben alles richtig gemacht. Auch wenn es für uns nicht die Welt war, für die Kinder und die Menschen dort ist jede Kleinigkeit wertvoll!!
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